new trinity and unity | Zeichen der Zeit - 08-08-2010


Zeichen der Zeit - 08-08-2010

Off limits für das Gewissen - oder der erste Schritt des Weges

Liebe Leser und liebe Freunde,

wenn man das seltene Privileg - würde es nicht wahrscheinlich so „unzeitgemäß” in den Ohren vieler jüngerer Menschen klingen, sagte ich lieber: wenn man das Gnadengeschenk hat, auf vierzig Jahre selbstbewussten und selbstverantwortlichen Wirkens in seinem Leben blicken zu dürfen und dabei niemals jemandes „Untergebener” sein musste, aber selbst auch niemals Untergebene hatte, kann man sicher berechtigterweise auch die Frage stellen: Gab es auf dieser Pilgerreise vorher schon etwas Erwähnenswertes, das nicht nur mit dem Leben, sondern vielleicht auch schon mit dem Werk zu tun hatte?

Und es hatte, wie ich in einer der letzten Ausgaben der ZdZ im Blick auf den Begriff „Widerstand” in unserer aktuellen Arbeit ein wenig berichtet habe. Doch ist diese erste Spur des noch nicht ganz volljährig gewordenen [1961; damals war diese Schwelle gesetzlich noch das 21. Lebensjahr] wahrscheinlich nur in der Akasha-Chronik dokumentiert.

Das Dokumentierte beginnt 1962 mit einer ersten Veröffentlichung in der Basler Studentenzeitschrift „Kolibri”. Würde es sich dabei um ein Thema gehandelt haben, welches heute die Menschheit nicht mehr zu beschäftigen brauchte, würde ich es an dieser Stelle nicht erwähnen. Doch leider ist das ganz und gar nicht so. Selbst der aktuelle Präsident der USA hat die damit verknüpfte Problematik zu einer Schwerpunktaufgabe seiner Administration erklärt.

Für mich war das Thema mit ein Grund, dass mich der Weg zum Studium in die Humanistenstadt Basel führte. Denn dort lehrte ein deutscher Philosoph, der ein mich in meinen letzten Schuljahren tief ergreifendes Buch publiziert hatte: „Die Atombombe und die Zukunft des Menschen.” Ihn wollte ich hören. Und also entschied ich mich für die Universität Basel - eine freie Entscheidung, die im Zeitalter der „Master- und Bachelor”-Korsett-Universität kein auf Welterkenntnis neugieriger junger Mensch mehr treffen kann. Eine riesige Katastrophe, die allein Grund wäre zur Revolution! Doch kein Aufbegehren regt sich. Wohin sind wir gekommen im letzten Drittel des 20. Jahrhunderts, das 1919 noch so viel Hoffung in sich barg?!

Nun, es würde hier zu weit führen, in den Einzelheiten zu berichten, welche Fügungen es waren, die mich wieder auf das Jahr 1962 zurückwiesen, um dort im Depot längst tief versunkener Taten wieder auf jene eine zu stoßen, die am Anfang von allem steht, was dann nach weiteren vier spannenden Jahren schließlich zu den entscheidenden Begegnungen führte, durch welche dann das Lebensprojekt „Internationales Kulturzentrum Achberg” entstehen und sich zu seinem jetzt vierzigjährigen Bestehen entwickeln konnte. Davon wird dann ab dem 15. August, mit einem Blick in die Zukunft bis 2019, die Achberger Sommeruniversität handeln, an die ich bei dieser Gelegenheit nochmals erinnern möchte. Wer teilnehmen will sollte sich bitte schleunigst anmelden …

Zurück zu 1962. Nun Student u. a. von Karl Jaspers, stieß ich - noch bevor ich etwas von Rudolf Steiner wusste, ja nicht einmal dessen Namen kannte - auf einen anderen Philosophen jener Jahre, den Wiener Günter Anders und den ersten Band seines Werkes „Die Antiquiertheit des Menschen.” Da kam mir ein soeben bei Rowohlt erschienenes Paperback in die Hände mit dem Titel „Off limits für das Gewissen”, sein Briefwechsel mit einem der Piloten, die mit ihren B52-Bombern am 6. August die Atombombe nach Hiroshima zu fliegen hatten. Dieser Titel war mit einem Vorwort von Robert Jungk eingeleitet, dessen auch wenig Jahre zuvor erschienenes Buch „Heller als tausend Sonnen” - über die Geschichte der Kernenergie und die Entstehung der Bombe und was damit bis Mitte der fünfziger Jahre sich auf der Erde entwickelt hatte. Das waren auch meine Informationsgrundlagen, warum ich mich mit der Ostermarschbewegung gegen die Atomwaffen verbunden hatte, was ja auch zur Begegnung mit Robert Scholl und zu meinem ersten kleinen politischen Auftritt zu Ostern 1961 führte [ich habe darüber bereits berichtet].

Jetzt sah ich mich durch den Briefwechsel zwischen Günter Anders und Claude Eatherly aufgerufen, auf dieses Buch hinzuweisen und bekam dazu die Gelegenheit, in der genannten Zeitschrift eine Besprechung zu veröffentlichen. Ich sah darin in diesem Moment das Wichtigste, das ich meinte tun zu können für das in der damaligen Menschheit Notwendigste: Mobilisierung des Gewissens für deren Gesamtschicksal - Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Lange Jahre hatte ich an diese äußerlich gesehen kleine Tat nicht mehr gedacht, bis mir vor kurzem in einem anderen Zusammenhang wieder die Formulierung „off limits für das Gewissen” in den Sinn trat, weil ich zu kämpfen hatte mit dem in meinen Augen allüberall sich ausbreitenden generellen Gewissensverlust und der damit verbundenen Frage, ob es noch eine Rettung geben könne, dass nicht alle Menschheitskultur in diesem Trichter verschlungen werde. In diesem Moment erinnerte ich mich wieder an meine Buchbesprechung aus 1962. Doch ach, ich habe in jenen frühen Jahren leider so gut wie nichts archiviert, weil ich zu sehr ganz im Gegenwärtigen lebte, als dass ich mir fürs Aufbewahren Zeit nehmen wollte. So war das damals und noch gut 10 Jahre länger. Ich erinnerte aber noch sehr genau, war ich damals geschrieben hatte - bis in einzelne Formulierungen hinein. Meine Einlassung war im Grunde ein Notruf, ja ein seelischer Aufschrei, ob der Gewissensfrage, die der Menschheit im Atomzeitalter und allem, was dazu gehört, viel tiefer und umfassender gestellt ist als je zuvor in der Menschheitsgeschichte. Und das war und ist eigentlich der Grundzug, der sich durch all mein Tun bis zum heutigen Tag hindurch zieht - natürlich längst durch all das „angereichert”, was mir ich kennen lernen konnte durch mein Studium der verschiedenen Wissenschaften und sich mir dann insbesondere aufgeschlossen hat durch die Begegnung mit dem Werk Steiners und den vielen Freunden, die mir seither auf meinem Weg und bei meinem Schaffen begegnet sind und denen allen ich viel zu verdanken habe.

Zum Schluss dieses Berichtes an meinen ersten markanten Schritt auf die Bühne der Zeitgeschichte - das Originaldokument findet man auf www.wilfried-heidt.de/pdf/1962-off-limits-fuer-das-gewissen.pdf ­-, will ich noch anmerken, dass ich es einer weiteren Gnade schulde, dass meine Freundin Anki Dieterle, die von allen meinen noch lebenden Weggefährten die hochbetagteste ist, die meine Arbeit seit 1968 kennt und auch einige Jahre in Achberg unsere Mitarbeiterin war, behilflich war, das Dokument von 1962 im Archiv der Uni Basel zu finden. Ich danke ihr dafür von Herzen. Als es jetzt bei mir ankam, war es der 6. August! Keiner von uns hatte vor drei Wochen, als wir zu recherchieren begannen, diesen Tag auch nur irgendwie im Kalkül. Anki fügte der Post mit den Kopien eine Grußkarte bei mit einem Motiv aus spätromanischer Zeit - www.wilfried-heidt.de/pdf/2010-08-06-karte.pdf - und schrieb dazu u. a.: „Das sind die Zufälle des Lebens” - was sie auf andere Zusammenhänge bezog, die in diesem auch noch ein bestimmte Rolle spielten. Zufälle? Es sind Zu-Fügungen, die nicht in unserem Kalkül urständen. Aber des Gemeinschaftsspatens bedürfen, um sich ereignen zu können! Davon zum Aktuellen dann mehr in den nächsten ZdZ.

Mit besten Grüßen - Wilfried Heidt