new trinity and unity | Zeichen der Zeit - 12-07-10


Zeichen der Zeit - 12-07-10

Volksabstimmung/Volksentscheid:
Warnung vor der populistischen Falle der »terrible simplification«

An alle – Eine Klarstellung

1. Man konnte es ahnen: Würde der bayrische Volksentscheid zur Frage des Rauchens in öffentlichen Räumen für das Volksbegehren erfolgreich enden, dann kämen wahrscheinlich aus alle denkbaren Löchern Wortmeldungen, die heutzutage via Internet von jedermann ja leicht verbreitet werden können und ebenso oberflächlich wie sie sich in der Regel äußern auch gehört werden und die nun mit entsprechenden Schlagworten hantieren und fordern, es müssten jetzt auch »auf Bundesebene« in dieser Hinsicht Plebiszite möglich werden.

2. Wenn es so einfach wäre, einfach ein paar Schlagworte in die Welt zu setzen, weil man mit dem bisschen politischer Bildung, die man hat, der Meinung ist, was - im Einzelfall der Raucherei - für die Bayern gut ausging, könne doch nicht schlecht sein für die ganze Republik. Also schreibt man ein paar populistische Sätze und lässt sie im Netz auf die Leute los. Und so landen dann solche Gemütsregungen auch hier, weil man auf der Suche nach potentiellen Adressaten bei Google mit dem entsprechenden Stichwort natürlich auch auf unsere Seiten - z. B. auf www.volksgesetzgebung-jetzt.de - stößt und da auf offene Ohren zu treffen hofft.

3. Doch in keiner der so auftauchenden Wortmeldungen ist bisher zu erkennen gewesen, dass da jemand sich meldet, der wahrgenommen, gar studiert haben würde, was da auf der entsprechenden Homepage mitgeteilt wird. Nichts davon, kein Wort der Bezugnahme. Als spreche man vom originellsten Ei, das nun möglichst bald alle als das »Ei des Kolumbus« der Politik befördern sollten. Darin unterscheidet sich übrigens diese Naivität nicht von der Ignoranz jenes »newsletters« [www.fiu-verlag.com], mit dem andere einen tonnenschweren und die Luft verpestenden Dinosaurier durch die Lande schicken, um für »direkte Demokratie in Deutschland « Propaganda zu machen - aus der eitlen Selbsteinschätzung, es handle sich dabei um einen Vorgang »sozialer Kunst«.

4. Hier paart sich dann Naivität mit Ignoranz und wird zur Illusion. Dabei zeigt sich, dass der Frage: Ja welche Idee wird denn da in welcher Erscheinungsform mit welcher Begründung den Menschen vorgestellt und empfohlen? keinerlei Aufmerksamkeit gewidmet wird; so, als handle es sich hierbei nur um ein Element eines Werkzeugkastens, mit dem man hofft, im politischen Leben bestimmte diffuse Interessen - natürlich die seinen: z.B. »bedingungsloses Grundeinkommen« o.ä. - durch »Volksabstimmung« demokratisch legitimieren zu können.

5. Zu diesem Umstand sei festgestellt: In Deutschland beginnt der »Kampf ums Plebiszit« http://www.impuls21.net/pdf/kampf-ums-plebiszit.pdf im Aufgreifen der Idee der Volksouveränität aus den ersten Jahren der Französischen Revolution im Jahr 1869 im ersten Programm der SPD, dem Eisenacher [wo gleich zu Beginn außer dem Wahlrecht das Recht der Volksgesetzgebung gefordert wird; vorausgegangen waren seit 1848 die theoretischen Begründungen dafür insbesondere durch Moritz Rittinghausen, einem Mitarbeiter in Marxens »Neuer Rheinischer Zeitung«; http://www.impuls21.net/pdf/kampf-ums-plebiszit.pdf].

Dann brauchte es ein weiteres halbes Jahrhundert, bis diese Idee 1919 in einer bestimmten Form als Kompromiss zwischen den sozialistischen und den liberalen Parteien als Volksgebehren zum Volksentscheid Eingang fand in die »Weimarer Reichsverfassung« [Artikel 73 - 75]; ausführlich dazu in http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/achberger-memorandum und in http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/weimarer-memorandum; hier wird auch über das Schicksal der Plebiszite in der Zeit der ersten deutschen Republik und deren bonapartistische Pervertierung in der Nazi-Zeit durch Hitler berichtet. Wie es mit diesem Element im Nachkriegsdeutschland zunächst weiterging - in der BRD wie in der DDR bis 1968/69 - ist ebenfalls in den beiden genannten Memoranden beschrieben.

6. Die neue Etappe des Kampfes ums Plebiszit, die bis in die Gegenwart reicht, beginnt Anfang der achtziger Jahre im Institut für Zeitgeschichte des Internationalen Kulturzentrums Achberg [im Zusammenhang mit der damaligen Friedensbewegung gegen die Installierung der Mittelstreckenraketen]. Hier entsteht in gut zwei Jahren die wissenschaftliche Neubegründung der bisherigen Demokratietheorie per se für die elementare Ebene. Mit sozialwissenschaftlicher, menschenkundlicher, geschichtlicher und verfassungsrechtlicher Begründung wird eine neue Idee der Demokratie mit dem Grundgedanken der »dreistufigen Volksgesetzgebung« entwickelt und in Gestalt eines konkreten Gesetzgebungsvorschlages Ende 1983 dem Deutschen Bundestag als Petition eingereicht. Spontan entsteht mit mehreren hunderttausend Zustimmungserklärungen eine erste Bewegung für direkte Demokratie in Deutschland.

Am 4. Oktober 1984 kommt es in Bonn zu einer ersten parlamentarischen Befassung mit dieser Petition. Sie wird - gegen wenige Gegenstimmen der erstmals im Bundestag wirkenden Partei DIE GRÜNEN - ohne ernsthafte Debatte und ohne Befassung mit ihrer Begründung abgelehnt.

7. Trotzdem geht die wissenschaftliche und öffentliche politische Arbeit intensiv weiter. Aber es gelingt nicht, die Kraft der Bewegung aufrecht zu erhalten bzw. zu steigern. Am kontraproduktivsten wirkt sich die Spaltung der Bewegung aus. Es gab welche, die - ohne an der wissenschaftlichen Arbeit teilgenommen zu haben - der Ansicht waren, die Volksgesetzgebung besser dadurch befördern zu können, dass man sich zugleich mit Einzelproblemen - wie z. B. mit dem Kampf gegen »Atomanlagen« [1986 aus der aufgewühlten Stimmung wg. des Tschernobyl-GAUs] verbinden würde.

Wir haben diese Vermischung immer abgelehnt. Es hat sich bestätigt, dass das die Bewegung durch diese Vermischung nur spaltete und also schwächte. Andere Spaltungsgründe kamen dazu - wie z.B. das erwähnte sog. Kunstwerk »Omnibus«. Das hätte nicht sein müssen! Denn warum sollte man nicht auch ein solches Vehikel unter den Menschen zirkulieren lassen - mit oder ohne Bezugnahme auf den »erweiterten Kunstbegriff«. Dass dieses Projekt allerdings erst nach Beuys aus einem Kreis seiner Anhänger auftauchte spricht für den Kenner allein schon Bände. Hätten die Betreiber seinerzeit sich so verhalten, wie ihr Meister sich immer verhielt in seiner Zusammenarbeit mit »Achberg« - nämlich ideell und öffentlich tätig das, was hier im Erkennen erreicht und in politische Projekte umgesetzt war mittragend und in sein Wirken einbeziehend, [Näheres dazu auf http://www.wilfried-heidt.de/beuys-heidt-zusammenarbeit], dann würde auch ein technologischer Dinosaurier für Leute, die Sinnesreize brauchen, um im Denken in Bewegung zu kommen, nicht stören können, weil sich in der  politischen Aktion ideell und strategisch immer das gemeinsame Wollen manifestierte.

Doch eben dies war bis auf den heutigen Tag nicht der Fall: In dem, was diese Truppe ideell unter die Menschen trug und trägt lebt der Erkenntnisstand zur Sache »Plebiszit« aus dem Anfäng der Bewegung. Man verhält sich in dieser Gruppierung ganz ähnlich wie auch im Verein »Mehr Demokratie«: sowohl in ideeller wie in praktisch-strategischer Hinsicht ignorant gegenüber dem Stand der erreichten Erkenntnisentwicklung wie gegenüber der Fokusierung im politischen Handeln - redet aber zugleich, wie R. Rappmann es in seinem newsletter tut, vollmundig von notweniger »Zusammenarbeit« und »Koordinierung«. Was ist das anderes als schizophren Verwirrung stiften und spalten?

Hätten diese Strömungen etwas Sachliches einzuwenden gegen das, was zum Beispiel in der letzten Phase des Projektes mit der Petition vom 9. November 2009 [http://www.volks­gesetzgebung-jetzt.de/petition-2009/aspekte-1] verbunden ist, dann könnte man sich damit ja auseinandersetzen und eine etwaige Kritik prüfen. Doch auch das geschieht ja nicht. Wie soll man von jemandem halten, der in Jahren, ja Jahrzehnten zur Entfaltung der Idee, um die es - auf der Höhe der Zeit gedacht - bei der Wissenschaft von der Volksgesetzgebung geht, absolut nichts beigetragen hat, von »zusammenarbeiten und kooperieren« redet, wenn er zugleich alles ignoriert, was sich auf diesem Gebiet dort entwickelt hat, wo die Quelle zur Entfaltung dieser Idee »sprudelt« und das Angebot für diese Zusammenarbeit und Kooperation für jedermann, dem es um die Sache geht, jederzeit bestand und besteht und mit einem einzigen Mausklick ohne Zeit- und Kostenaufwand im notwendigen Umfang realisiert werden kann [http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/aktion/abstimmung]?

8. Nein, niemand sollte sich ins Bockshorn jagen und kopfscheu machen lassen! So einfach die Sache in ihrer populistischen Verkürzung klingt - egal wer sie so hantiert, wie heute zum Beispiel auch der Genosse Gabriel von der SPD in der BILD-Zeitung: Es werden ihm andere folgen, um einen unterschwelligen Trend auf seine parteipolitische Seite zu ziehen!

Sie alle tun so, als ob es die Petition vom 9. November 2009 nicht gäbe - obwohl es sich doch um eine verfassunggebotene außerparlamentarische Gesetzesinitiative handelt, die jetzt schon mehr als ein halbes Dutzend Mal dem Bundestag vorlag und deren Gegenstand - wie wir seit dem 30. Juni 2009 auch vom Bundesverfassungsgericht wissen - neben dem Wahlrecht das höchstrangige demokratische Aktivrecht der Bürgerschaft betrifft und der nicht nur durch GG Art. 20,2, sondern, wie »Karlsruhe« es so erstmals feststellte, auch schon aus GG Art. 1 begründet ist und folglich geregelt werden muss, d. h. nicht ins Belieben des parlamentarischen Gesetzgebers gestellt sein darf, ob er es regeln oder zu regeln unterlassen will. Kein einziger Kommentar in der BRD hat bis heute diese Position des Urteils vom 30. Juni 2009 in ihrer epochalen Bedeutung erkannt und benannt. Sie liegt der Petition vom 9. November, mit der wir die Vorgänge vom Herbst 1989 [»Wir sind das Volk«] aufgreifen und weiterführen, zugrunde. Man darf gespannt sein, wie der Bundestag nach den Sommerferien dieses Mal auf diese Argumentation reagieren wird.

9. Freilich: Man darf nicht naiv sein! Bleibt man bloß bei den Schlagworten hängen und geht nicht tiefer zum Verständnis des Lebewesens »Dreistufige Volksgesetzgebung« und seinen Lebensbedingungen [http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/petition-2009/aspekte-1], dann wird man nicht verstehen, warum es von so entscheidender Bedeutung ist, dass die vier Kriterien, die im Regelungsvorschlag der Initiative »Volksgesetzgebung-jetzt« benannt und begründet sind, beachtet werden und dass die gesellschaftliche Vereinbarung darüber unbedingt durch einen Bürgerschaftsentscheid, wie es vorgeschlagen wird, getroffen werden sollte - und nicht nur durch Parlamentsbeschluss. Erst durch einen längeren gesellschaftlichen Diskurs wird sich die Bürgerschaft die Idee, das heißt das Erkennen des Wesens der Sache dem Wesen nach ganz einverleiben können und nicht populistisch bei oberflächlichen Stimmungen verharren. Alles weitere kann der Interessierte sich selbst über die angegebenen Links erschließen.

10. Doch niemand soll sich täuschen: Diesen Weg der Implementierung der Idee wird es nur geben, wenn sich dieser Gemeinwille in starkem Maße aus freier Initiative bildet. Dafür, dass das auf einfache Weise geschehen kann, ist die Seite »Aktion Abstimmung« eingerichtet [http://www.volksgesetzgebung-jetzt.de/aktion/abstimmung]. Wenn jetzt nicht mehr von »Zusammenarbeit « und »Kooperation« nur geschwätzt, sondern praktisch gehandelt und darüber informiert wird, dass zum Ziel nur noch die wirkliche Beteiligung mit seiner Willensbekundung notwenig ist, die dann an den Bundestag weitergeleitet wird, dann können wir noch in diesem Jahr - auch ohne Bundesverdienstkreuz! - das Ziel so erreichen, dass es nachhaltig seine positive Wirkung haben wird.

Achberg, 12. Juli 2010
Initiative Volksgesetzgebung-jetzt
Institut für Zeitgeschichte
im Internationalen Kulturzentrum Achberg