new trinity and unity | Zur Aktualität des »Wiener Appells«


Zur Aktualität des »Wiener Appells«

aus der österreichi­schen Zivilgesellschaft vom 15. 6. 2008:


Für eine demokratische Generalreformation der EU jetzt!

Nach dem Nein der Iren zum Lissaboner Vertrag kann sich entscheiden, ob die Bürgerinnen und Bürger der EU sich abermals ins Boxhorn jagen lassen, oder ob sie endlich durchschauen, wie man sie seit Jahrzehnten am Ring einer europäischen Pseudodemokratie an der Nase herumgeführt hat, weil sie zwar wählen durften aber um so wirksamer von der wirklichen politischen Selbstbestimmung abgehalten wurden. Und dann aus dieser Erkenntnis die Konsequenzen ziehen!

1. Es hat nur Stunden gedauert, nachdem das Ergebnis des Referendums in Irland feststand, da kamen sie - wie alle Medien wie auf Befehl gemeldet haben - scharenweise aus ihren Löchern gekrochen, die Bonapartisten aller Schattierungen. Und gaben ihre Ratschläge zum Besten, was man nun tun solle, um auf das Votum von der »grünen Insel« so zu reagieren, dass - hinter dem Deckmantel erneuter Verschleierungstaktik - die Dinge fröhlich dergestalt weiterlaufen können, wie es sich die herrschenden Kreise aus ihrer Interessenlage vorstellen.

Das ist uni sono der Weg jener Strategie, der es bisher gelungen war, den Menschen vorzugaukeln, als gehe es demokratisch zu im Europa der siebenundzwanzig. Gut, da gebe es zwar ein gewisses »Demokratiedefizit«, das wolle man schon einräumen. Doch man sei ja gewillt, es zu minimieren. Angblich auch deshalb der sog. »Reformvertrag«.

2. Exemplarisch für alle Als-Ob-Demokratie-Ideologen,, die den Menschen gerade jetzt wieder Sand in die Augen streuen, um sie erneut an der Erkenntnis der wirklichen politischen Selbstbestimmung vorbeizutäuschen, rief - pars pro toto - einer der Oberbonapartis­ten, der Innenminister Schäuble von der in Berlin mitregierenden CDU, die Gemeinschaft zu mehr Transparenz bei ihren Entscheidungen auf. Er erklärte gegenüber der WELT AM SONNTAG: »Die Menschen mögen einzelne Aspekte der Politik in Brüssel nicht, etwa weil sie nicht hinreichend transparent ist.« Er sei aber »ganz sicher, dass wir in Europa insgesamt eine klare Mehrheit für den Fortgang der europäischen Einigung haben.« Als Weg für mehr Bürgernähe nannte Schäuble die Direktwahl des künftigen Ratspräsidenten. Er wäre auch »dafür, dass wir eines Tages den Präsidenten des Europäischen Rats, diese künftige europäische Führungspersönlichkeit, in einer europäischen Wahl wählen.«

Das ist populistischer Bonapartismus in Reinkultur! »Wählen, wählen über alles« - denn mit einer aufs Wählen beschränkten, impotenten Demokratie kann man die Menschen um so effektiver von der politischen Selbstbestimmung ihres gesellschaftlichen Schicksals fernhalten und um so ungestörter in die Fäden der Machtpolitik der herrschenden Minderheiten im Staat, in der Wirtschaft, in der Finanzwelt und in der Kultur einspinnen, weil die Täuschung funktioniert, als lebe man - zum Unterschied von einer Diktatur - in einer real-demokratischen Gesellschaft.

3. Deswegen war es so wichtig wie politisch geistesgegenwärtig, dass in Österreich die an diesem Wochenende tagende Konferenz Zivilgesellschaft spontan auf die entstandene Ratlosigkeit unter den Machteliten in der Europäischen Union reagierte und mit ihrem Wiener Appell für die »Demokratisierung der EU jetzt« unmissverständlich klarstellte: Europa krankt nicht daran, dass zu wenig »gewählt« wird, sondern daran, dass der Bürgerschaft bisher mit dem Initiativ- und Abstimmungsrecht des Volkes das demokratische Ernstgeburtsrecht vorenthalten wurde und dieses »Defizit« auch der Lissaboner »Reformvertrag« keineswegs beseitigt .

Das ist - neben vielem anderem - dessen entscheidendes Manko, das vor allem restlos und konsequent beseitigt werden muss. Nur dann kann die Europäische Union im Kern gesunden und ein transnationales Gemeinwesen auf der Höhe der Zeit und darin ein Vorbild in der Weltgemeinschaft werden.

4. Jetzt geht es für uns alle ums Ganze. Jeder Einzelne ist aufgerufen, sich an der Entscheidung zu beteiligen. Alle, die das erkennen, können mit ihrer konkreten Willenbekundung auf der Seite www.initiative-zivilgesellschaft.at/wiener-appell zur Bildung des notwendigen »politischen Kapitals« beitragen, das wir für einen »Reformvertrag« brauchen, der diesen Namen verdient. Über ihn soll dann - in einer auf das Wesentliche konzentrierten Form - die Gesamtbürgerschaft der Europäischen Union entscheiden.

Wilfried Heidt

IG-EuroVision Sektion Deutschland www.IG-EuroVision.net